Loys Egg
Offene Werke
zur Ausstellung
Peter Weibel
Zu den neuen Skulpturen von Loys Egg
Die neuen Skulpturen von Loys Egg haben keinen Sockel. Auch wenn sie auf Podesten präsentiert werden, die Skulpturen sind sockellos. Sie brauchen keine Basis, keine Standfläche, können unterschiedliche Positionen einnehmen, das heißt, sie können stehen, liegen, in Seitenlage ruhen.

Diese neuen Skulpturen haben eine Vielzahl an Positionsmöglichkeiten und Ansichten. Skulpturen in einem rotierenden Universum kennen kein Oben, kein Unten, kein Zentrum, keine Peripherie. Sie sind Spiegelbilder des Allraumes, eines mehrdimensionalen Raumes zur n-ten Potenz.
Keine Skulptur des Gleichgewichts und der Schwerkraft, sondern eine Skulptur des Ungleichgewichts, eine Skulptur in Schwebe, in einem Spannungszustand. Eine Skulptur gegen die Schwerkraft, gegen die Gravitation.
Die Windungen, Biegungen, Krümmungen, Drehungen des Eisendrahtes im Kern sind nun geschlossen, nicht wie in früheren Skulpturen als offene Schleifen, und bilden so ineinandergreifende Rosetten, fächerförmige Scheiben eines Raumes, des Quantenschaumes, eines Rotationsraumes ohne Zentrum.

Loys Egg hat mit dreidimensionalen graphischen Zeichen im Raum, an der Wand operiert. Bewegliche, nomadische Zeichen als Skulpturen. Damit hat er sich in einer neuen Topographie bewegt. Nun erobert er den Graphenraum der Topologie, der mobil ist. Diese Mobilität verwandelt die Skulptur, welche traditioneller Weise durch die Stabilität und Rigidität der Beziehungen ihrer Elemente gekennzeichnet ist, in ihr Gegenteil. Dachte man bisher bei Skulpturen an die schwer lastende Unveränderbarkeit von Stein und Marmor, so tauchte nun ein Skulpturenbegriff auf, der gegen die Gravitation gerichtet ist. Nicht mehr eine den Jahrhunderten trotzende Skulptur aus Stein, sondern Einschläge in die Materie wie Meteoriten, welche die Materie und die Schwerkraft, letztlich aber unseren Formbegriff herausfordern.
  Peter Weibel
Wien, April 2011
Loys Egg über seine Arbeiten
Ende der 60er Jahre begann ich, mit einer dreidimensionalen, skulpturalen Malerei Bildformat und Rahmen in den Raum auszudehnen, um schließlich die Leinwand selbst zu verlassen. Entgrenzung des Bildrahmens - Loslösung vom Tafelbild - amorphe Zeichen, nicht mehr auf der Fläche eines begrenzten Papiers oder einer begrenzten Leinwand, sondern auf den virtuell unbegrenzten Flächen des Raumes.
Abstrakte dreidimensionale "Linien" appliziere ich seit 1973 direkt an die Wand.
Der Raum wurde zum Bildraum, zu einem fließenden Raumkontinuum.
Diese freien skulpturalen "Raumzeichen", diese Wandskulpturen, schweben für mich auf eine poetische Beweglichkeit und Lebendigkeit zu, wo Zeichen, Wand und Plastik im Gleichgewicht gegenseitiger, vollständiger Unabhängigkeit verschmelzen. So ist es möglich, dieselben Elemente zu einer neuen Installation, einem neuen Werk zu organisieren, ein offenes, mobiles, poetisches, nomadisches, frei flottierendes Zeichensystem.
Dieter Ronte schrieb im Vorwort zum Katalog "Loys Egg, Arbeiten 1973 - 81" (Museum Moderner Kunst, Wien 1981): "Durch ihre Mobilität wird der Raum selbst zu einem mobilen Beziehungssystem für die Kunstwerke, d.h., daß die Wirkung der Objekte jeweils auch von den Raum determinanten bestimmt wird, in dem sie installiert werden. Die lnstallation A arbeitet zwar mit denselben Objekten wie die lnstallation B in anderen Räumen, und doch ist die Wirkung und die lnteraktion der bildnerischen Formen jeweils eine andere. Egg entzieht seinen Formen damit die feste Bestimmung, die eindeutige Wirkung, er überführt sie in eine raumbedingte Mehrschichtigkeit und Vieldeutigkeit." Jedes Kunstwerk, birgt eine Vielzahl von "Lesarten" in sich und enthält eine grundsätzlich mehrdeutige Botschaft.
Die Poetik des Kunstwerks in Bewegung, diese Offenheit und Mobilität, stellt eine neue Beziehung zwischen Künstler und Betrachter her, eine kommunikative Situation, eine veränderte Mechanik der ästhetischen Perzeption.

So hatte ich während meiner Kanada-Tournee (1983-1985) Ron Shuebrook, Chairman des Nova Scotia College of Art and Design, Halifax, eingeladen, meine Ausstellung in der Eye Level Gallery, Halifax, zu gestalten. Peter Piller interpretierte mein Werk im Off Centre Centre, Calgary.
Auch bei der Ausstellung "Identität : Differenz", 1992, in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz, habe ich mein Werk freigegeben.

Histoire Naturelle
Inspiriert von einem Ameisenbären im Tiergarten Schönbrunn begann ich 2009 neben den amorphen, abstrakten Skulpturen auch an figurativen, anthropomorphen und zoomorphen Formen zu arbeiten. Die Schädel- oder Kopfformen bleiben skizzenhaft, im Zustand des Gestaltungs prozesses, androgyn, nur wenige physiognomische Einzelheiten sind herausgearbeitet.
Formalqualifizierbare Momente fehlen oder sind nur angedeutet. Die Linien - der Draht - ragen teilweise aus den Körpern heraus, wie Nervenstränge, Adern, Sehnen, und "formulieren" sich zu Figuren aus Zeichen, Linien und Strichen.
  Loys Egg
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©  2016 06 21